Künstlerisch zum Gipfel | Top Magazin
Isabel Gräfin von Rittberg kombiniert Tanz mit Klettern in einer neuen Kunstform
TEXT & FOTOS | LENA REINER
Aufgewachsen ist sie in Beyenburg, doch gegenwärtig lebt sie in Boulder, Colorado. Das, so muss man zugeben, ist auch eine passendere Adresse für Isabel Gräfin von Rittberg. Denndie 32-Jährigeistdie Begründerin einer neuen Kunst- und Bewegungsform, einer Mischung aus Bouldern (einer Unterart des Kletterns in geringerer Höhe, die ohne Sicherungsseil auskommt) und Tanzen. „AscenDance“ nennt sie ihre Erfindung. Der Begriff setzt sich aus den beiden englischen Verben „to ascend“ (aufsteigen) und „to dance“ (tanzen) zusammen.
Ausschlaggebend für den Einfall war, dass sie in beiden Bereichen schon seit langem eigene Erfahrungen gesammelt hat. Schon als Kind begann sie auf Initiative ihrer tanzbegeisterten Mutter mit Ballettunterricht. Ihr Vater Hans Georg Graf von Rittberg, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Wuppertaler Quante AG, brachte sie zum Klavierspielen. „Meine Eltern haben mich extrem künstlerisch geprägt, auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt eine Vollzeitkünstlerin aus mir machen wollten!“, schmunzelt Isabel von Rittberg.
Unter dem Einfluss von Pina Bausch
Die Faszination ihrer Mutter für den Tanzen sei ihr regelrecht in die Wiege gelegt worden. Mari Di Lena war, wie Isabels Mutter Gretchen damals eine der wenigen Amerikanerinnen im Bergischen, sie wurde ihre erste Lehrerin. Sie hatte auch im Ensemble von Pina Bausch getanzt, so entstand auch eine Nähe zu der berühmten Tänzerin und Choreographin: „Sie ist eine große Inspiration für mich, weil sie ihrem Herzen folgte – auch als sie dafür noch mehr Abneigung als Bewunderung erntete“.
Ihr Bruder Marcus Graf von Rittberg, der heute ebenfalls in den USA lebt, bestreitet seinen Alltag mit Musik sowie mit musikalischer Früherziehung und lebt dabei die besonders mit dem Vater geteilte Leidenschaft beruflich aus. Die Eltern sehen diese Freigeistig- und -beruflichkeit ihrer Kinder durchaus ambivalent. Einerseits teilen sie deren Leidenschaften, andererseits sehen sie die finanziellen Unsicherheit der Berufe. Letztlich aber wirkt es ein wenig so, als lebe Isabel den Traum ihrer Mutter. Sie selbst sieht eine solche Einschätzung durchaus positiv: „Ich denke, unsere Generation hat den Luxus der Freiheit, das zu tun, was man möchte“. Einen Luxus, den die Eltern und speziell ihre Mutter in diesem Alter nicht gehabt hätten.
Kreative haben es in den USA leichter
Das soll allerdings nicht heißen, dass es von Beginn an einfach gewesen sei, ihre Ideen zu verwirklichen. In Deutschland seien ihr nämlich zunächst Steine in den Weg gelegt worden, als sie ihr Projekt vor rund zehn Jahren begründen wollte. „Immer wenn ich von meinem Konzept erzählt habe, wurde ich gefragt, ob ich darin irgendein Diplom habe“, erinnert sie sich an engstirnige Reaktionen. Dabei sei es doch gerade das Besondere, dass es vorher keine solche Tanzform gegeben habe. „Amerika als Land der vielen Möglichkeiten zu bezeichnen, hat schon seine Berechtigung“, hat sie festgestellt. Zumindest sei es ihrer Erfahrung nach für Kreative einfacher, Fuß zu fassen. Die Menschen seien dort aufgeschlossener, wenn es darum gehe, etwas völlig Neues zu unterstützen. Das war der Hauptgrund, weswegen sie sich dort ihr Standbein mit „AscenDance“ aufgebaut habe und nicht in ihrer deutschen Heimat Wuppertal, auch wenn sie das zunächst vorgehabt hatte.
Der Sprung über den Teich fiel ihr freilich auch leichter, nachdem sie sich in Colorado verliebt hatte. Dennoch betont sie: „Ich fühle mich in Wuppertal verwurzelt“, und dass sie sehr gern einmal in ihrer deutschen Heimat auftreten oder eine Europatour machen würde. So hofft sie, dass sich für 2014 genügend interessierte Veranstalter finden lassen. In den USA hat sie dieses Interesse spätestens seit ihrem spektakulären Auftritt bei der NBC-Show „America’s got Talent“.